Darko Markovic flüchtete vor fast zwei Jahren mit seiner Familie nach Deutschland. Nun geht ein Traum für ihn in Erfüllung: Am 1. September beginnt seine Berufsausbildung bei einer Bremer Dachdeckerfirma.

Darko Markovic grinst wie ein Honigkuchenpferd. Seine Augen strahlen vor Freude. Für den 24-jährigen Flüchtling aus Serbien ist in diesen Tagen ein Traum in Erfüllung gegangen. „Er hat eine Lehrstelle bei einer Bremer Dachdeckerfirma bekommen“, erzählt sein Flüchtlingspate Herbert Herkenrath und lächelt dem jungen Mann zu, der neben ihm am Kaffeetisch sitzt. Am 1. September geht es bei der Friedrich-Schmidt-Bedachungen GmbH los; bis dahin arbeitet Markovic dort schon mal als Praktikant. „Das ist ein guter Beruf“, sagt Darko Markovic. „Eine schöne Arbeit; die macht mir richtig Spaß“, schwärmt er. Er ist der erste Flüchtling in Ritterhude mit einem Lehrvertrag. Und es war ein langer Weg, bis er ihn bekommen hat.
„Am 28. August sind es zwei Jahre“, erzählt Darko Markovic in gut verständlichem Deutsch. So lange seien er, seine 23-jährige Frau Zlatija und ihre drei Kinder Kristina (sechs), Ljiljana (vier) und Gordana (zwei Jahre) nun schon in Deutschland. In seiner Heimat Serbien habe er nach dem Schulabschluss mit seinem Onkel zusammen auf verschiedenen Baustellen in Belgrad gearbeitet. Immer nur kurze Jobs, keine Aussicht auf eine Lehrstelle, keine feste Anstellung. Nichts, das ihm und seiner jungen Familie eine Perspektive geboten hätte. Schon damals träumte davon, einmal in luftiger Höhe auf den Dächern der Städte zu arbeiten.

 

„Die Flüchtlinge wollen nichts geschenkt.“

„Alle Flüchtlinge, die ich hier in Ritterhude kennengelernt habe, sind wirklich daran interessiert eine Anstellung zu finden. Sie wollen unabhängig werden“, betont Herbert Herkenrath, der sich mit seiner Frau inzwischen um fünf Flüchtlingsfamilien kümmert – ehrenamtlich, so wie eine ganze Reihe anderer Ritterhuder ebenfalls. Die Flüchtlinge wollten keine Almosen, wollten nichts geschenkt, sagt der Betreuer. Das ist seine Erfahrung. Darko Markovic bilde da keine Ausnahme. Tatsächlich habe er den 24-Jährigen gerade durch dessen zupackende Art kennengelernt. „Als wir im vergangenen Jahr in der Kleiderkammer völlig am Ertrinken waren, schaute er vorbei und packte spontan mit an“, erinnert sich Herkenrath. Darko Markovic nickt: „Ich helfe gern.“ Die beiden kamen ins Gespräch, waren sich sympathisch. Als für die älteste Tochter der Schuleignungstest anstand, bot Herkenrath an, sie dafür in die Kreisstadt zu fahren.

Irgendwann erfuhr der Ritterhuder Flüchtlingspate, dass Darko Markovic sehr gern arbeiten würde, am liebsten als Dachdecker, und dass er von einer Lehre träumte. Das ließ sich Herbert Herkenrath nicht zweimal sagen. „Ich bin gleich mit ihm zum Arbeitsamt nach Osterholz-Scharmbeck; aber dort sah man erst mal keine Chance für ihn“, berichtet Herkenrath. Weil Markovic vom Balkan kommt, ist sein Aufenthalt ungewiss. Wäre er Syrer, hätten sie sofort etwas für ihn gehabt, erinnert sich Herkenrath. Daraufhin suchten die beiden das Arbeitsamt in Bremen auf. Alles ließ sich gut an. „Uns wurde der rote Teppich ausgerollt“, beschreibt es Herkenrath. 50 offene Lehrstellen im Dachdeckerbereich hätte die Mitarbeiterin für Darko Markovic gehabt. Bis sie fragte, wo er gemeldet sei. Mit der Antwort „Ritterhude“ fiel alles wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Die niedersächsische Gemeinde liege außerhalb der Zuständigkeit der Agentur, bedauerte sie.

 

Der Besuch einer Ausbildungsmesse ebnet den Weg

Doch der Tipp, den die Fallmanagerin ihnen noch gegeben habe, sei Gold wert gewesen. „Wir sollten eine Ausbildungsmesse besuchen, hatte sie gesagt.“ 1800 Bewerber seien dort gewesen, alles Flüchtlinge, so Herkenrath. Vor vielen Ständen habe es ganze Menschentrauben gebeben. „Bis auf den der Dachdeckerei Friedrich-Schmidt-Bedachungen.“ Glück für Darko Markovic. Denn: „Die Chemie zwischen ihm und dem Firmenchef Lutz Detring stimmte sofort“, erinnert sich sein Pate. Und so verließ Markovic die Messe mit dem persönlichen Angebot von Dachdeckermeister Detring, ein zweiwöchiges Praktikum bei der Friedrich Schmidt GmbH in Bremen-Huckelriede zu absolvieren.

Das war etwa im August 2015. Bis der heute 24-jährige, dreifache Familienvater aus Serbien aber diese Chance ergreifen konnte, verging fast ein ganzes Jahr. „Wir sind von Arbeitsamt zu Arbeitsamt gelaufen“, erzählt Herkenrath. „Insgesamt war ich sechsmal in Osterholz-Scharmbeck und zweimal in Bremen“, so Markovic. Und als die Hoffnung fast erloschen war, gab es plötzlich doch Grünes Licht vom Amt. „Anfang Juni durfte ich mit dem Praktikum beginnen“, erzählt der 24-Jährige. Erster Praktikumstag sei ein Montag gewesen – „und Mittwoch bot ihm Lutz Detring eine Lehrstelle an“, so Herkenrath. Bis Arbeitsagentur und Ausländerbehörde ihr Okay dazu gaben, vergingen wieder einige Wochen. Aber nun ist der Vertrag unterzeichnet, der Weg mit Werksunterricht und Berufsschule klar vorgezeichnet. Auch dafür hat ihm Herkenrath seine Hilfe angeboten.

 

Ein Praktikum sorgt für neuen Mut

Herbert Herkenrath freut sich für den jungen Mann. „Seit er dort mit dem Praktikum begonnen hat, ist er total aufgeblüht“, erzählt er. Darko Markovic sei absolut motiviert, meint sein Flüchtlingspate. „Er will für seine Familie eine Basis schaffen und nach heutiger Gesetzeslage darf er bis zum Abschluss der Lehre auch hierbleiben.“ Im Leben sei es wie im Sport, meint Markovic: Wenn man für seine Ziele hart trainiere, erreiche man sie. Und sein Ziel sei es, Dachdecker zu werden und damit den Unterhalt für seine Familie zu bestreiten. Von diesem Weg hat er sich in den vergangenen Monaten nicht einen Moment abbringen lassen. Dass er dabei auf die Hilfe von Herbert Herkenrath zählen kann, steht außer Frage. Der ist seinerseits froh, die junge Familie unterstützen zu können.

Flüchtlingspaten Herbert Herkenrath und seine Frau sind Flüchtlingspaten der ersten Stunde. Aber sie sind nicht allein: Insgesamt kümmern sich zurzeit 20 solcher Paten als Einzelperson oder als Paar um die Flüchtlinge in der Gemeinde Ritterhude. Aus Sicht der Gemeindeverwaltung ein aboslutes Erfolgsmodell. Tatsächlich seien solche Erfolgsgeschichten wie die von Darko Markovic wohl nur mit Unterstützung von engagierten Helfern zu schreiben, meint Verwaltungsmitarbeiterin Claudia Guttmann und verweist auf die zahlreichen Behördengänge, die Formulare und andere Hürden, die genommen werden müssen. Die Gemeindeverwaltung könne diese Hilfe allein nicht leisten. Und die Flüchtlinge hätten oft große Probleme, sich zurecht zufinden. Um so wichtiger sei es, dass wirklich alle Flüchtlinge einen Paten an die Seite bekämen.

 

Treffen der Flüchtlingspaten

„Uns fehlen noch für fünf bis sechs Familien Flüchtlingspaten“, bestätigt Lothar Hunnenbart, zuständiger Abgteilungsleiter im Ritterhuder Rathaus. Wer sich dafür interessiert, könne am Donnerstag, 15. September, um 17 Uhr zum nächsten Treffen der Flüchtlingspaten ins Ritterhuder Rathaus kommen. Weitere Informationen gibt Verwaltungsmitarbeiterin Heike Schade unter der Telefonnummer (04292) 889 158.

 

Pressebericht des Weser-Kuriers, Brigitte Lange, vom 28, Juli 2016